logo

 Profil 
 Kontakt 

 Leseproben

 Reise 
 Geschichte 
 Kultur 
 1. 50 Jahre Staatsoper 
 2. Rheinsberg  
 3. Fante 
 4. Woolrich 
 5. Staatskapelle Berlin 
 6. van Bracht 
 7. Hans Fallada 
 8. Thelonious Monk 
 9. Die Gärten von Zürich 
 10. Südfrankreich 
 Corporate 

 

Artikel

 

Die (geheimen) Gärten von Zürich


Richard Wagner hatte
ein untrügliches Gespür für Schönheit und die Annehmlichkeiten des Lebens. Immer ließ er es sich gut gehen und er hatte ein großes Talent, Gönner für seinen nicht eben unaufwändigen Lebensstil zu finden. So auch in Zürich. Selbstverständlich machte Wagner die Villen im prachtvollsten Garten der Stadt zu seinem Lebensmittelpunkt: die Villa Wesendonck seiner Gastgeber und die Villa Schönberg, die er selbst mit seiner Frau Minna bewohnte. Die Unternehmergattin Mathilde Wesendonck lud viele Künstler zu ihren Soireen ein, besonders eingenommen aber war sie von Richard Wagner, der 1849 aus dem unruhigen Dresden der Revolution nach Zürich geflüchtete war. „Asyl auf dem Grünen Hügel“ nannte er sein Domizil. Lohn der zehnjährigen Gastfreundschaft waren die Wesendonck-Lieder – und nach Wagners heftiger Affäre mit der Hausherrin – zwei zerrüttete Ehen. Geblieben ist der Park, der heute nach seinem späteren Besitzer Rieter-Park heißt, hoch am Hügel nah zum Zürich-See gelegen, still und kultiviert – ein Muss für Gartenliebhaber und mit der hier beheimateten Sammlung außereuropäischer Kunst auch Standort eines der großen Museen des an Museen wahrlich nicht armen Zürich.

Kleiner und bescheidener ist der Alte Botanische Garten beim Völkerkundemuseum. Der Park zur Katz liegt am Schanzengraben, der ehemaligen mittelalterlichen Stadtbefestigung. Hier oben auf einem Hügel verbringen die Angestellten der nahen Büros und Geschäfte ihre Mittagspause und Touristen ruhen auf der Katz nach einem Stadtspaziergang ein wenig aus. Zu Ehren des Botanikers Conrad Gessner, der im 16. Jahrhundert viele Heilkräuter sammelte und spezifizierte, hat die Stadt in diesem kleinen Park einen Kräutergarten angelegt. Darin stehen Waldbeere und Mariendistel, Pfingstrosen, die „Kinder bewaret für Schrecken, wo ihnen gewöhnlich der Nacht zufallen,“ außerdem Wacholder und Flachs „für Frauen, die gern schöne Angesichte hätten.“

Ein sehr kleiner Park, eigentlich nur ein Streifen Gras unter alten Bäumen, liegt hoch am Zürichberg auf dem „Germaniahügel“ und ist dennoch einen Besuch wert. Denn hier ist ganz allein einer der größten deutschen Dichter begraben, Georg Büchner, Autor des „Hessischen Landboten“, der mit seinem Aufruf „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ die Mächtigen herausforderte und in seinen letzten Monaten als wenig erfolgreicher Privatdozent an der Universität seinen Lebensunterhalt zu verdienen versuchte.

Ein letzter Tipp ist der Park hinter dem riesigen und sehr sehenswerten Schweizer Landesmuseum an der Limmat, die Zürich durchfließt. Der so genannte Platzspitz war 1780 der erste angelegte öffentliche Park in der ganzen Schweiz. Es ist heute schwer vorstellbar, aber vor 20 Jahren war er als Drogenumschlagplatz verschrien und die in der weiten Mehrzahl überaus anständigen Zürcher machten einen großen Bogen um das Areal. Es ist kein spektakulärer Park, aber eine der wenigen Gelegenheiten in der Innenstadt, auf einer Bank unter Bäumen ein Eis zu essen oder auf dem Rasen auszuruhen.

Und dann gibt es noch die geheimen grünen Refugien der Stadt. Wer durch Zürich bummelt, sieht hoch über den Straßen ungezählte Dachgärten. Sie sind natürlich nicht öffentlich zugänglich, ebenso wie viele andere Zürcher Gärten. Der Autor Andreas Honegger und der Fotograf Gaston Wicky haben sich auf die Suche begeben nach diesen unbekannten Schätzen. Alle von ihnen besuchten Gärten sind in Privatbesitz, gewissermaßen „erweiterter Wohnraum“ für die Eigentümer. Die überwiegende Zahl dieser Anlagen durften die Autoren nur mit der Auflage besuchen, nichts über die Besitzer zu schreiben. „Wir bleiben gerne versteckt“, gestand eine Dame der feinen Gesellschaft. Das ist typisch in dieser reichen Stadt: Man protzt nicht mit seinem Besitz; die Gärten sind ein privates Vergnügen und dienen der eigenen Freunde, sind für Familie und Gäste gedacht. Die Vielfalt der in dem geschmackvollen Buch dokumentierten Anlagen ist enorm: Die zahlreichen Bilder zeigen Seerosenteiche und Rhododendrenhaine, Skulpturen und Veranden, Fächerahorne und Zedern, Hortensien und Rosenbeete, immer wieder Buchsbaumkugeln, Steinornamente und besonders viele Anlagen, die sich auf die japanische Gartenkultur beziehen. Aber auch die Gärten auf den Dächern der Stadt sind eine Augenweide, manche ein bisschen arg esoterisch, aber die Auswahl mag Zufall sein oder bringen den Geschmack der Autoren zum Ausdruck.

Aber wie gesagt: Diese Gärten sind geheim. Eintrittskarte ist das Buch „Die Geheimen Gärten von Zürich.“ Die Bewohner und Stadtbesucher müssen Vorlieb nehmen mit den oben beschriebenen Anlagen. Oder sie fahren gleich ins Land hinaus. Aber das hat ja bekanntlich auch seine Reize.

 

Tageszeitung

Der Artikel erschien im Frühjahr 2011 im Berliner Tagesspiegel.